Pressespiegel

Die Basler Schauspielerin Satu Blanc als Christina von Schweden in dem Stück »Königin des Barocks«

Badische Zeitung, 9. November 2015
Text: Roswitha Frey

Zwischen Blütenduft und Pesthauch

Satu Blanc bringt ihr neuestes Stück »Königin des Barocks« in Basel auf die Bühne

Sie lernte reiten wie ein Mann, jagen wie ein Mann und Krieg führen wie ein Mann. Auf Äusserlichkeiten legte sie keinen Wert, vom Heiraten hielt sie nichts, sie widmete sich lieber wissenschaftlichen und philosophischen Studien und ihrem Hang zur Oper, zum Theater und zum Ballett: Christina von Schweden (1626–1689) war eine eigenwillige Regentin. Diese Frau, die einen unbändigen Freiheitswillen hatte und sich nicht um Konventionen scherte, verkörpert die Basler Schauspielerin Satu Blanc in ihrem neuesten Stück »Königin des Barocks«.

Um den freiheitsliebenden Charakter dieser Monarchin darzustellen, darf Satu Blanc für einmal in einer historischen Frauenrolle sogar Hosen tragen, kombiniert mit einem miederartigen Oberteil aus Samt und einem verwegenen federngeschmückten Hut: ein Kostüm, das viel ausdrückt über die widersprüchliche Persönlichkeit dieser Frau. Das Stück über die rebellische Königin ist das zweite, das Satu Blanc in ihrem eigenen Theater »Lo Studiolo« in Basel aufführt – dem kleinen Theater für grosse Geschichten, wie sie das bezaubernde Haus inmitten eines versteckten Gartens nennt.

Die Zuschauer sitzen hautnah dran am Geschehen, wenn Satu Blanc in der dichten Kammerspiel-Atmosphäre die Lebensgeschichte der Christina von Schweden aufrollt – und zugleich ein Zeitbild des 17. Jahrhunderts entwirft, einer Epoche zwischen verschwenderischer Pracht, Glanz, Samt, Gold und Gier und nicht enden wollender Kriege, Elend, Aberglauben und Seuchen. Blütenduft und Pesthauch weht durch diese Zeit.

Schauspielerisch eindringlich und wandlungsfähig schlüpft Satu Blanc in die Figur dieser stolzen Herrscherin, die sich nahm, was sie wollte. Geschickt bindet die Darstellerin in der Regie von Christine Ahlborn symbolträchtige Requisiten ins Spiel ein: ein Schachspiel, in dem Könige und Bauern hin und her geschoben werden wie die Mächtigen und die Untertanen auf dem Schachfeld des Lebens, ein Tierschädel als Symbol für die Jagd und die historische Pistole, die für den fortwährenden Krieg steht. Am Anfang holt Satu Blanc ein kleines Stofftier und eine alte Holzkiste aus den Schubladen der Erinnerung. Wenn sie in den Schrank kriecht und darin das Stofftier und die Kiste verschliesst, verweist sie auf die schwierige Kindheit Christinas. Geboren in einer Winternacht mitten im Dreissigjährigen Krieg, im Zeichen des Schützen, wurde die Tochter des »Soldatenkönigs« wie ein Junge erzogen, war genauso wild und stolz wie der Vater, ungezähmt wie der Sturm. In der Kiste verrotte das Herz ihres Vaters, sagt die ungebärdige Christina, die sich der Göttin Diana nahe fühlt – Christina, die Göttin der Jagd, so sieht sich die Frau auf dem Thron, die einen prunkvollen Hof führte, an dem Gelehrte, Künstler und Musiker verkehrten.

In einigen Szenen verwandelt sich Satu Blanc in eine allegorische Gestalt hinter einem roten Spitzentuch und zieht die Zuschauer packend hinein in diese Zeit, in der Pest und Krieg ganze Landstriche entvölkerten. Immer wieder hält sie sich eine Halbmaske vors Gesicht und mimt die empörten Zeitgenossen, die über den unmoralischen Lebenswandel der Regentin tuscheln. In einer kurzen Episode gibt Satu Blanc die Frau des Basler Bürgermeisters Johann Rudolf Wettstein, der als Gesandter der Eidgenossen an den Friedensverhandlungen in Münster teilnahm. Auf schwyzerdütsch kommentiert die Bürgermeistersfrau die dramatischen Geschehnisse um Krieg und Frieden, während sie eifrig wischt und aufräumt. Nach diesem kurzen Schwenk ins Baslerische kehrt Satu Blanc zurück zur Hauptfigur, zu Christina von Schweden, die es in den Süden zieht – nach Italien. Die Königin dankt ab, konvertiert zum Katholizismus, lässt sich in einem Palazzo in Rom nieder: »Hier fand ich Leben, Freiheit, Liebe«. Die Schauspielerin klettert die schmale Leiter zur Galerie hoch, wo eine zweite Spielebene entsteht und wo die älter werdende Christina sinniert: »Das Alter ist fürchterlicher als der Tod«. Dank ihrer nuancierten wunderbar lebendigen Schauspielkunst und der fesselnden Kraft der Sprache gelingt Satu Blanc ein lebensvolles, spannendes Frauenporträt aus historischer Zeit.